Lasch abgeschmeckt und ohne Raffinesse

8. Januar 2022

Restaurant Harbour View (im Atlantic Hotel), Jadeallee 50, 26382 Wilhelmshaven, Tel.: 04421 773380
Homepage: https://www.atlantic-hotels.de/hotel-wilhelmshaven/restaurant-harbour-view

Von der Karte:
Geschmorte Deichlammschulter
Quellerpesto | frittierte Schwarzwurzeln | Gnocchi
29,00 Euro

Die geschmorte Deichlammschulter war gut zubereitet, nur das Quellerpesto konnte ich auf meinem Teller nicht finden. (Foto: Jesco von Moorhausen)

Eine Auszeit im Hotel Atlantic in Wilhelmshaven lohnt immer. Eben nur für eine Nacht sich von Restaurant, Cocktailbar und Wellness verwöhnen lassen. Gutes Essen gehört da genauso dazu wie ein guter Service. Und davon geizt das Restaurant Harbour View, welches im Hotel Atlantic in Wilhelmshaven seine Gäste beköstigt, nicht. Zuvorkommend, freundlich, ruhig und dennoch schnell und aufmerksam, der Service des Restaurants ist vorbildlich. Man fühlte sich zu keinem Zeitpunkt genervt oder allein gelassen. Die Abstände, in denen man gefragt wurde, ob man noch etwas benötigt oder ob man zufrieden sei, waren perfekt gewählt. Hierfür ein großes Lob.

Ich entschied mich an diesem Abend für die geschmorte Deichlammschulter mit Quellerpesto, frittierten Schwarzwurzeln und Gnocchi. Meine Frau wählte die Perlhuhnbrust im Walnusscrêpe mit Kumquatjus, Wirsingtasche und gebackenen Linsen (Preis 27,00 Euro). Aber kommen wir zunächst zu meinem Gericht. Die geschmorte Deichlammschulter war saftig und deftig. Wer den Lammgeschmack mag war hier bestens bedient. Die Gnocchi waren selbstgemacht und in der Konsistenz und Geschmack einwandfrei, auch wenn die Größen der einzelnen Gnocco (ja, so heißt es im Singular) teils ziemlich unterschiedlich waren. Das tat der Sache aber keinen Abbruch. Besonders raffiniert empfand ich die frittierten Schwarzwurzeln. Bemerkenswert hierbei war, dass die Panade wirklich stabil an der Schwarzwurzel blieb – auch beim Schneiden. Nichts bröckelte herunter. Dazu gab es dann noch etwas Deko, aber, Moment, da stand doch Quellerpesto. Das konnte ich nicht finden. Es gab aber eine Sauce, die extra gereicht wurde. Doch dabei handelte es sich um eine normale Bratensauce, sicherlich aus der Reduktion der Lammschulter. Zweifelsohne lecker und gut abgeschmeckt und laut der Servicekraft auch mit Queller, nur wo? Püriert? Und vor allem in einer Menge, die völlig „homöopatisch“ beigesetzt wurde. Ich bezweifle sehr, dass irgendjemand einen Unterschied in der Sauce erkannt hätte, wenn sie ganz normal gesalzen wäre. Zudem hätte ich erwartet, dass ich vielleicht irgendwo auf meinem Teller etwas Queller finde. Aber noch einmal zurück zur Definition von Pesto. Dabei handelt es sich ja  um eine ungekochte Paste, in der meist ein Kraut oder ähnlich vorrangig verarbeitet wurde. In diesem Fall laut Karte Queller. Das verwirrte mich. Auf Nachfrage beim Service erklärte die Dame, dass man mit Queller in der Küche sehr sparsam umginge, da viele Kunden den extremen Geschmack nicht mögen. Nun ja, aber mal ehrlich. Gar kein Queller ist doch auch keine Lösung. Dann schreibe ich auch so etwas nicht auf die Karte. Vor allem kann man sicherlich davon ausgehen, dass wenn sich einer geschmorte Deichlammschulter bestellt, jener gerne etwas deftigere Geschmäcker verträgt.

Bei meiner Frau das gleiche Spiel. Hier suchten wir verzweifelt den Kumquatsjus. Zwar war auf dem Teller eine kleine Menge an Jus, aber von Kumquats keine Spur. Angeblich wären die im Jus. Doch der schmeckte extrem flau. Bei Kumquats denke ich an eine herbe, leicht bittere Schale und säuerlichem Fruchtfleisch, sehr fruchtig und mit starkem Orangengeschmack. Ebenso beim Walnusscrêpe – der Teig zeigte keinerlei Anstrengungen, dass da überhaupt etwas Walnuss drin gewesen wäre. Zumal ich die Kombination von Perhuhn und Crêpe nur mit einem Jus problematisch finde, da Perlhuhn ja von Natur aus nicht das saftigste Fleisch ist und stattdessen eine Sauce  eine bessere Wahl gewesen wäre. Doch das ist Geschmackssache. Keine Meinungsfrage hingegen ist, dass es ziemlich ungünstig ist, etwas auf die Karte gleich an Platz 2 zu setzen, was scheinbar nur in einer Nebennebennebenrolle auf dem Teller spielt. Auch hier hätte ich mir eventuell ein paar aufgeschnittene Kumquats  gewünscht. So aber handelte es sich um ein ganz normales Jus ohne Raffinesse. Auch hier hörten wir die gleiche Begründung von der Servicekraft: Die Kunden möchten nicht so gerne diese extremen Geschmäcker. Wieso wirbt man dann mit Kumquats auf der Karte und macht nicht einfach einen Orangenjus? Nur um es schicker aussehen zu lassen? Das wäre dann aber ehrlich gesagt Angeberei.

Versteht mich nicht falsch. Beide Gerichte waren gut gekocht und lecker. Da gab es absolut nichts dran auszusetzen. Doch die Beschreibung vermittelte mehr Raffinesse, die schlichtweg fehlte. Diese hätte ich aber erwartet, vor allem bei dem Preis. Somit war es zwar gut gemeint, aber alles zu flau umgesetzt. Der AHA-Effekt blieb komplett aus und ich war enttäuscht.